der BEA Bericht: Bericht einer Tragödie

Gemeinnutz sollte vor Eigennutz gehen, auch bei der ärztlichen Schweigepflicht

Der BEA-Bericht beschreibt eine Tragödie, auch in deren eigentlichem Sinne:

Unter optimalen Bedingungen (Zustand des Flugzeugs, Fähigkeiten der Besatzung außer des Co-Piloten, Flugroute und Wetter) wird ein Flug durchgeführt, so normal wie die tausende von Malen, an denen das jeden Tag auf der Welt geschieht. Eigentlich ein normales Ereignis an einem normalen Tag, bei der nach wie vor weltweit sichersten Transportmethode: nach einem Bericht der ICAO gab es im Jahre 2014 32 Mio. Flüge und acht Großschäden bei Passagierflügen, das ist ein Unfall bei vier Mio. Flügen oder 0,00003 % Schadenshäufigkeit.

Kein Trost für die Angehörigen der Opfer, eher im Gegenteil: „Warum musste das ausgerechnet auf einem Flug passieren, auf dem mein Kind war?“

Die Antwort gibt der Bericht: Die Ursache ist ein Konflikt zwischen zwei bisher gleichwertigen Rechtsgütern: der beruflichen Schweigepflicht und dem Schutz der Allgemeinheit.

Wie schon in meiner Stellungnahme von 31. Mai 2015 im Einzelnen ausgeführt: Der Unfall konnte passieren, weil der Co-Pilot seine psychische Erkrankung verschwieg und kein Arzt an seine Stelle trat und dasjenige tat, was der Co-Pilot hätte tun müssen: im Interesse der Sicherheit der Passagiere hinzuweisen auf die fehlende Fähigkeit, mit der Verantwortung für ein Großflugzeug und dessen Passagiere umzugehen.

Schuldzuweisungen sind ebenso wenig angebracht wie schnelle, aber nicht durchdachte Lösungsvorschläge.

Einerseits kann man das hohe Gut der beruflichen Schweigepflicht - das Patienten ebenso schützt wie z. B. Klienten eines Anwalts - nicht einfach über Bord geworfen werden. Andererseits können von verschwiegenen Erkrankungen geradezu unermessliche Gefahren für die Allgemeinheit ausgehen; sei es bei Verkehrspiloten, Bahn- oder Busfahrern oder Gefahrguttransporteuren. Dies gilt insbesondere bei psychischen Erkrankungen. Anders als bei Beeinträchtigungen der körperlichen Leistungsfähigkeit sind diese nicht sichtbar: Eine die Sehleistung korrigierende Brille sieht jedermann, bei seelischer Erkrankung eingenommene Psychopharmaka fast niemand.

Gleichwohl muss 4U9525 Anlass sein, ein neues Verhältnis zwischen Schweigepflicht und Verkehrssicherheit zu definieren. Gemeinnutz geht vor Eigennutz.

Diese Arbeit kann nicht den untersuchenden Ärzten allein überlassen werden, die natürlich trotz Schweigepflicht reden dürfen, wenn ein Notstand vorliegt. Aber das weiß der betroffene Arzt auch erst hinterher. Er wird sich stets strafrechtlichen Ermittlungen ausgesetzt sehen, mit den damit einhergehenden Anwaltskosten zu seiner Verteidigung und einem Reputationsverlust bei einer Vorverurteilung. Das ist ebenso wenig zumutbar, wie zur Tagesordnung überzugehen.

Die sozialrelevanten Gruppen sind aufgefordert, gemeinsam mit der Politik das Spannungsverhältnis neu zu definieren, wie es die BEA auch gefordert hat. Geschieht dies, haben die Familien wenigstens einen kleinen Trost.

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