Die Berichte über Klageerhebungen in den USA...

sollten in einen Zusammenhang gesetzt werden!

Die Nachricht im Berliner Kurier vom 11.02.2016 „Germanwings-Unglück 85 Opfer-Familien reichen Schmerzensgeld-Klage in den USA ein“

http://www.berliner-kurier.de/news/panorama/germanwings-unglueck-85-opfer-familien-reichen-schmerzensgeld-klage-in-den-usa-ein-23506104

sollte ebenso genau gelesen und verortet werden wie alles andere, was zu diesem Thema in den letzten Monaten veröffentlicht wurde: 

Sofort nach der Katastrophe waren einzelne Anwälte mit klaren Botschaften in den Medien. Von Millionenforderungen war die Rede, der Schuld von Lufthansa, die weiter aufzuklären wäre. Ein Kollege fand es

"unerträglich, wenn für amerikanische Opfer mehr gezahlt würde als für deutsche" (Blick 06.04.2015),

und im Focus Heft 16/15 gab es sogar eine Grafik mit Entschädigungen des "Wertes eines Lebens", in der u.a. Deutschland und die USA einander gegenübergestellt wurden. Und auch für deutsche Familien sei

"bis zu 1 Mio. denkbar" (Tagesspiegel 15.05.2015).

Das steigerte sich bis jüngst auf 5 Mio. Dollar

http://www.morgenpost.de/vermischtes/article207120873/Germanwings-lehnt-Verhandlungen-mit-Anwaelten-aus-den-USA-ab.html

bzw. zu einer „millionenschweren Zivilklage“

http://www.n-tv.de/panorama/Klage-gegen-Lufthansa-Schule-in-den-USA-article17148296.html

oder auf einen „niedrigen sechsstelligen Betrag“; bei genannten 300 Angehörigen wären das aber mindestens 30 Mio.?

http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/germanwings-absturz-anwaelte-klagen-jetzt-in-den-usa/13342076.html

Dies alles waren Äußerungen von Anwälten, die sich als Spezialisten für Entschädigungsfragen, allgemein („Experten für Verkehrshaftung“, s. jetzt das Zugunglück bei Bad Aibling)

http://www.bild.de/news/inland/zugunglueck-bad-aibling/wir-kamen-hier-lebend-raus-44528040.bild.html

und speziell bei Luftverkehrsunfällen darstellten, einmal sogar (immerhin in der FAZ) als „Fachanwalt für Luftverkehrsrecht“, den es gar nicht gibt.

Die Berichterstattung geschieht häufig mit einer Referenz zu früherer, angeblich höchst erfolgreicher Vertretung von Angehörigenfamilien und hat stets "unter dem Strich" eine eindeutige Botschaft: "Mandatieren Sie uns, und wir verschaffen Ihnen eine Millionenentschädigung in den USA anstelle einer empörend geringen in Deutschland." Vermutlich ergänzt um die Aussage, dass der Gang in die USA völlig risikofrei wäre, denn die dort tätigen Anwälte würden nur im Erfolgsfalle mit einer bestimmten Quote des Erstrittenen bezahlt: "no success, no fees".

Und damit auch keiner sagt, der eine sei nicht für die Äußerungen oder Handlungen des anderen verantwortlich: sie arbeiten als „die wichtigsten Opferanwälte“eng zusammen!

http://www.rp-online.de/panorama/opfer-anwaelte-gehen-gemeinsam-gegen-germanwings-vor-aid-1.5384356

Offenkundig war diese Berichterstattung beeindruckend für viele betroffene Familien, wenn die Zahlen über erteilte Mandate stimmen, die anschließend kolportiert wurden: mehr als 100 Hinterbliebene lt. dem n.tv.de Beitrag vom 11.10.1015.

Aber in zweiter Linie folgte aus derartiger Werbung dann der offenkundige "Erfolgsdruck", Lufthansa dann auch in den USA auf Millionen verklagen zu müssen: das geht nämlich nicht, wie die bisherigen Urteile aus des USA unter dem Gesichtspunkt „forum non conveniens“ zeigen; und was diejenigen Anwälte eigentlich genau wissen müssten, die sich als Spezialisten darstellen und die tlw. sogar eine amerikanische Anwaltszulassung haben. 

Und diese Anwälte wissen genau, daß amerikanische Gerichte eine Klage gegen die Lufthansa AG nicht annehmen; abgesehen davon, daß die medienwirksame Lufthansa nicht einmal der Luftfrachtführer war, sondern eine Tochtergesellschaft. Denn trotz früher Ankündigung „man bereite eine Klage vor“

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-08/germanwings-anwalt-klage-schadenersatz-us-gericht

und trotz Ankündigung des Entschlusses der Klageerhebung Anfang Oktober 2015 passierte 4 Monate lang erst einmal  - nichts. Obwohl eine Klageerhebung in den USA keine Hexerei ist. Das ist in Stunden, maximal 1-2 Tagen getan, man beschreibt kurz den Fall, die Forderung und die Parteien, die wirkliche juristische Arbeit kommt später, während der Beweisaufnahme ("discovery") oder der daran anschliessenden Hauptverhandlung ("trial").

Oder passierte doch etwas?

In dem Artikel im Berliner Kurier vom 11.02.2016 heißt es weiter, dass Gesprächsversuche der von Angehörigen beauftragten amerikanischen Kanzlei scheiterten. Was lässt diese Aussage für einen Schluss zu? Bedeutet das, dass die Kompetenz der deutschen Anwälte in der Vergangenheit nicht dazu ausreichte, außergerichtliche Regulierungsverhandungen mit den Anwälten von Germanwings zu führen? Hat das Mandatsverhältnis geendet? Oder haben die amerikanischen Kollegen nur "gedroht", sie würden eine Klage in den USA einreichen, um ein besseres außergerichtliches Angebot zu erreichen, als es den deutschen Anwälten angeboten wurde?

Ob das Angebot gegenüber der US-Kanzlei, nebenbei bemerkt, wirklich besser gewesen wäre, mag einmal dahinstehen. Denn anders als bei deutschen Anwälten und richtiger Vorgehensweise nach deutschem Recht wäre ein Erfolgshonorar der amerikanischen Kollegen abzuziehen gewesen, das es nach deutschem Recht nicht gibt.

Zurück zu Taktikfrage:  Gebracht hat eine solche Vorgehensweise – wenn es so war -  jedenfalls nichts.

„Meine Mandantin, Germanwings, wird sich auf Verhandlungen mit US-amerikanischen Anwälten, die sich bei uns gemeldet haben, nicht einlassen, da nach unserer festen Überzeugung weder amerikanisches Recht Anwendung findet noch sich ein Gerichtsstand in den USA begründen lässt“, sagte Rechtsanwalt Rainer Büsken unserer Zeitung.

Nach dieser Stellungnahme hat es offenbar gar keine Gespräche gegeben; dann können auch keine "gescheitert" sein. Dem ist nichts hinzuzufügen,

Bedeutet im Übrigen der Hinweis auf die "von Angehörigen beauftragten New Yorker Kanzlei", dass die deutschen Anwälte nicht mehr beauftragt sind? Das allerdings würde bedeuten, dass von einer Entschädigungszahlung - gleich in welcher Höhe und nach welchem Recht auch immer gezahlt - das Erfolgshonorar der New Yorker Kanzlei stets herunter ginge. Denn anders als bei der Abrechnung mit deutschen Anwälten nach deutschem Recht (RVG) erfolgt die Honorarzahlung an amerikanische Anwälte nicht zusätzlich zu einer Entschädigung. In Deutschland hingegen sind nach ständiger Rechtsprechung und genereller außergerichtlicher Praxis die Kosten anwaltlicher Tätigkeit von der gegnerischen Versicherung zusätzlich zum Schadensersatz für die Familien zu zahlen.

Und was heißt: “Meine Mandanten sagen: So lassen wir nicht mit uns umgehen.“ Wobei werden sie so falsch behandelt, dass sie so reagieren müssen? Um die Aufklärung der Schuldfrage kann es nicht gehen. Dafür ist die Staatsanwaltschaft in Marseille zuständig, an diesem Verfahren können sich die Familien als „parties civiles“ beteiligen, wie es diejenigen von AF447 vor Jahren getan haben.

Um Entschädigungsbeträge, die es nicht gibt, kann es auch nicht gehen. Es ist die vornehmste Pflicht eines Rechtsanwalts, Rechtsrat zu erteilen und damit als rechtlich Kundiger dem juristischen Laien zu sagen, was möglich ist und was nicht. So zu handeln ist so ziemlich das Gegenteil der medienwirksamen Ankündigung, wenn der Ankündigende nur beauftragt würde, gäbe es Millionenbeträge, die es tatsächlich nicht gibt.

Wäre richtig gehandelt worden, gäbe es im Regelfall kaum Divergenzen zwischen dem Rechtsrat der Anwälte und dem bisherigen Angebot der Allianz; es sei denn, die Anwälte können nach präziser Analyse von Sachverhalt und Rechtslage einen höheren Schaden darlegen. Ich vertrete auch Mandanten, deren Schaden mit dem bisherigen Angebot nicht abgedeckt wäre. Daher stelle ich – wie es das deutsche Recht ermöglicht, aber auch verlangt – die Fakten zusammen und verhandele über deren Bewertung. Aber ich verspreche nichts, was ich nicht auch halten kann.

Was ist also von der ursprünglichen Ankündigung geblieben, Lufthansa (klingt medienwirksamer als Germanwings) in den USA zu verklagen? Die Ankündigung einer zu erhebenden Klage gegen eine Flugschule für Jahre zurückliegende Versäumnisse. Anders aber als bei einer Auseinandersetzung mit dem Luftfrachtführer müssen die Geschädigten den vollen Beweis schuldhaft fehlerhaften Verhaltens bei der Pilotenausbildung führen und dann einen finanziellen Schaden nachweisen, des sie deshalb haben. Und sie müssen über den Verjährungseinwand hinwegkommen. Alles rechtliche Hürden, die bei einer Auseinandersetzung mit Germanwings nach dem Montrealer Abkommen nicht bestehen: denn danach haftet der Luftfrachtführer per se unbegrenzt, und bis März 2017 sind die Ansprüche jedenfalls nicht verjährt.

Wie wird also wohl der Anwalt der Flugschule argumentieren? Abgesehen vom Einwand der Unzuständigkeit amerikanischer Gerichte (forum non conveniens) wird er darauf verweisen, dass das deutsche System der Erteilung von Fluglizenzen fragwürdig ist, weil die ärztliche Schweigepflicht in diesem Land Vorrang vor dem Allgemeininteresse eines sicheren Luftverkehrs hat. Solange in Deutschland durch Piloten die freie Arztwahl möglich ist und Ärzte Angst haben müssen, strafrechtlich belangt zu werden, wenn sie Erkenntnisse ohne ausdrückliche Erlaubnis weitergeben, kann Germanwings Flug 9525 leider wieder passieren. Gleiches gilt für Zug- und Busführer sowie Gefahrguttransporteure; überhaupt alle, bei denen von der sicheren Berufsausübung Menschenleben abhängen.

Zurück zu den Fragen des Anwalts der Flugschule: wieso gehen die Kläger einen juristisch derart schwierigen Weg, wo sie es bei einer Klage gegen die Airline viel einfacher hätten? Weil ihre Berater jetzt zugeben, dass sie gegen Germanwings in den USA nicht klagen können, was sie als rechtlich Kundige von Anfang an hätten erkennen müssen? Oder weil sie eine Entschädigungshöhe gegen eine Flugschule erzwingen möchten, die das deutsche Recht nicht einmal gegenüber der Airline hergibt? Hier gilt das Gleiche: dass ein Ausländer in den USA nicht klagen darf, weil dort das Schadensersatzsystem ein anderes ist, haben amerikanische Gerichte in Sachen Baumgart et.al. v. Fairchild Swearingen 1993 entschieden; ein deutscher Fall, nämlich der Absturz einer Maschine des Nürnberger Flugdienstes von Hannover nach Düsseldorf am 08.02.1988.

Wie amerikanische Richter mit „frivolous lawsuits“ umgehen, hat die Entscheidung aus Chicago in Sachen MH370 gezeigt.

Was bleibt also nach alledem als Nachricht oder „Botschaft“? In Vorbereitung des Medieninteresses am 1. Jahrestag der Katastrophe frühere Versprechungen zu rechtfertigen und zu hoffen, dass niemand die Unterschiede zwischen Versprechen und Handeln bemerkt! Das haben die betroffenen Familien in ihrer Trauer und häufig auch Verzweiflung nicht verdient.

Dazu passt auch der medienwirksame Schwenk hinsichtlich des Zeitpunkts: hieß es noch zunächst, man würde gebotenen Abstand zum Jahrestag einhalten

http://www.berliner-kurier.de/news/panorama/germanwings-unglueck-85-opfer-familien-reichen-schmerzensgeld-klage-in-den-usa-ein-23506104

nimmt man jetzt das volle Medieninteresse mit und läßt die Klage einen Tag zuvor einreichen; wenn überhaupt….

Hoffentlich fragen nach dem Jahrestag die Betroffenen dann auch danach, ob die Klage nicht nur erhoben, sondern auch zugestellt wurde. Das ist nämlich nach amerikanischem Zivilprozessrecht etwas ganz anderes.

Und hoffentlich bedenken sie, daß ein Jahr später die Verjährung beginnt.

Zurück